Wöchentliche Treffen
Wir treffen uns jeden Dienstag ab 18 Uhr bei KISS in der Bodenstedtstr. 11!
Willkommen auf der Startseite
Der Beginn des Hartz IV-Zeitalters
- Details
- Geschrieben von arm
- Hauptkategorie: Historische Beiträge
- Zugriffe: 4689
2005 ist das Jahr Eins im Hartz - Zeitalter. Jetzt muss sich beweisen, ob das neue Konzept zum Ziel führt, mehr Menschen Arbeit zu geben. Die vorsichtigen Äußerungen vieler Politiker geben Anlass zur Skepsis. Zunächst die gute Nachricht: Noch vor wenigen Wochen rechnete man mit einem Desaster beim Start des neuen Arbeitslosengeldes II. Das Computersystem schien so stabil zu sein, wie das Mautsystem von Toll Collect in den ersten Tagen. Man befürchtete, dass Arbeitslose kein Geld erhalten, weil das System nicht funktioniert.Doch die Pannen, die bei der Neueinführung solcher Systeme leider unvermeidlich sind, dürften die Ausnahme bleiben. In den letzten Tagen vor der Bewährungsprobe hat sich das Berechnungsprogramm als stabil genug erwiesen. Allerdings wurden bei rund 130.000 Antragstellern offensichtlich falsche Kontonummern eingegeben. Doch auch hier wird bereits schnell und unbürokratisch geholfen, was notfalls bis zur Barauszahlung der Unterstützung reicht.Kehrseite der Medaille Doch das ist nur ein kleiner Teilaspekt. Die Funktionalität des Hartz - IV Paketes sagt noch nichts über den Erfolg der Maßnahmen aus. Für den Erfolg aber gibt es letztlich nur ein entscheidendes Maß: Zumindest eine Stabilisierung der Arbeitslosenzahlen, besser noch eine Senkung. Doch hier sind sich Fachleute und wohl auch die meisten Politiker einig: Das Ziel der Stabilisierung ist nur schwer, das Ziel der Senkung wohl gar nicht erreichbar.Politischer Sündenbock Bundeskanzler Schröder hat in weiser Voraussicht bereits einen Sündenbock ausgemacht: Arbeitsminister Wolfgang Clement. Ihn hat er bereits im Vorfeld zum Hauptverantwortlichen erklärt. Die Festlegung auf eine Person macht deutlich, dass auch Schröder noch nicht vom Erfolg von Hartz IV überzeugt ist. Mit Clement hat er den Sündenbock ausgemacht, der im Zweifelsfall früh genug als Bauernopfer gehen muss, um die Wahl im Jahr 2006 nicht zu belasten.Clement reagiert derzeit noch vorsichtig. Er will nach eigenen Aussagen die Entwicklungen am Arbeitsmarkt in diesem Jahr genau beobachten. "Dann ist zu entscheiden, ob und was wir gegebenenfalls ändern müssen." Aber auch andere Verantwortliche halten sich sehr zurück und vermeiden alles, um einen nicht zu rechtfertigenden Optimismus zu schüren. So rechnet auch Frank Jürgen Weise, Leiter der Bundesagentur für Arbeit mit "nahezu gleich bleibenden Arbeitslosenzahlen" in diesem Jahr.Die ersten Zahlen werden ein Schock Die ersten Arbeitslosenzahlen werden in diesem Jahr schockieren. Sie werden deutlich über fünf Millionen liegen. Dies hat aber mit der neuen Art der Zahlenermittlung zu tun. Denn seit dem 1. Januar 2005 gehören zu den über 4,4 Millionen Arbeitslosen noch einmal rund 800.000 Sozialhilfeempfänger, die bisher in der Statistik noch nicht auftauchten. Es ist also mit rund 5,2 Millionen Arbeitslosen im Januar zu rechnen, wenn die Zahlen stabil bleiben. Im Februar ist dann noch mit dem jährlichen saisonalen Anstieg der Zahlen zu rechnen, so dass für diesen Monat noch weitaus höhere Zahlen zu erwarten sind. Doch wie gesagt: Diese Steigerung der statistischen Werte stellen noch keine Gefahr dar - obwohl sie erschreckend deutlich machen, wie hoch die Zahl der Arbeitslosen in diesem Land ist. Doch diese Werte sind die Ausgangslage, an der Erfolg und Misserfolg von Hartz IV gemessen werden. Stellt sich die Frage, welche Möglichkeiten bestehen, um die Arbeitslosenzahlen in den Griff zu bekommen.Die Konjunktur Auf ein Anspringen der Konjunktur hoffen wir schon einige Jahre. Doch auch in diesem Jahr wird es wohl kaum zu einer ausreichend starken Belebung kommen, die sich auch auf den Arbeitsmarkt auswirkt.Die Voraussagen der Fachleute liegen beim Konjunkturwachstum zwischen 1,2 und 1,75 Prozent. Auch die Binnennachfrage wird wohl nur um einen Prozentpunkt zulegen. Hieran werden auch die erfreulichen Meldungen des Einzelhandels zum Weihnachtsgeschäft 2004 nicht viel ändern.Die vom Personaldienstleister Manpower vierteljährlich durchgeführte Befragung bei 1000 Arbeitgebern gibt auch keinen Grund zur Freude. Klang das Jahr 2004 im letzten Quartal noch mit verhaltenem Optimismus aus, so beginnt 2005 wieder pessimistischer: 13 Prozent der befragten Unternehmen wollen Stellen abbauen. Da kann es nur wenig tröstend sein, dass die Erwartungen immer noch besser sind als im ersten Quartal 2004.Statistik-Tricks Wenn der Markt keine neuen Arbeitsplätze hergibt, kann die Arbeitslosenstatistik nur mit Tricks geschönt werden - was nicht heißt, dass alle Tricks verwerflich sein müssen. Aber selbst mit den geplanten Maßnahmen, die die Statistik verbessern sollen, sieht es nicht rosig aus. Eine solche Maßnahme sind die so genannten Ein-Euro-Jobs. Das Hartz -I V Gesetz spricht dabei nicht von Jobs sondern von Arbeitsgelegenheiten. Hier erhalten die Beschäftigten nach dem Gesetz eine so genannte "Mehraufwandsentschädigung", deren Höhe zwar im Gesetz nicht festgeschrieben ist, aber auf Empfehlung von Arbeitsminister Clement zwischen einem und zwei Euro pro Stunde liegen sollte. Diese Jobs sollen an Empfänger von Arbeitslosengeld II vermittelt werden. Der Hinzuverdienst wird nicht auf das Arbeitslosengeld II angerechnet. Die Beschäftigungen sollen zeitlich begrenzt werden.Kommunale Beschäftigungsgesellschaften und gemeinnützige Organisationen sollen solche Beschäftigungsmodelle anbieten. Allerdings legt Clement Wert darauf, dass diese Angebote keine "Jobkiller" für den normalen Arbeitsmarkt darstellen sollen.Es gibt durchaus psychologische Effekte, die von solchen Maßnahmen ausgehen und die positiv zu bewerten sind. So werden Langzeitarbeitslose wieder in einen gewissen Tagesrhythmus zurückgeführt, der für den normalen Arbeitsmarkt dringend erforderlich ist, aber gerade bei diesen Betroffenen häufig verloren geht. Auch das Gefühl, wieder gebraucht zu werden, ist nicht zu unterschätzen. Aber hilft die Maßnahme tatsächlich, die Arbeitslosigkeit real zu bekämpfen?In einem Interview im August 2004 gab sich Wolfgang Clement noch optimistisch: "Ich rechne mit einer erheblichen Verstärkung öffentlicher Arbeitsgelegenheiten, vielleicht auf 20 Prozent der heutigen Langzeitarbeitslosen, das wären mindestens 600.000".Doch selbst diese Zahl erscheint bei Betrachtung der Realität eher Zweckoptimismus denn realistische Einschätzung wiederzuspiegeln. Bis Ende November 2004 wurden von Kommunen und Sozialverbänden gerade mal 70.000 Ein-Euro-Jobs angeboten. Zumutbarkeitskriterien Ab 2005 gelten neue Regeln bezüglich der Zumutbarkeit von Arbeiten, die ein Arbeitsloser annehmen muss. Als zumutbar gilt jetzt jede Tätigkeit, die legal und nicht sittenwidrig ist, auch wenn der Verdienst niedriger ist, als bei der früheren Stelle. Sittenwidrig ist ein Arbeitsplatz, bei dem weniger als 70 Prozent des Branchenniveaus gezahlt wird. Der Verdienst wird je nach Höhe teilweise auf das Arbeitslosengeld II angerechnet.Vom Bruttogehalt werden zunächst die Steuern und Sozialversicherungsbeiträge abgezogen. Zusätzlich bleiben für private Versicherungen (zum Beispiel Hausrat oder Haftpflicht) 30 Euro frei. Nachgewiesene Werbungskosten werden ebenfalls abgezogen. Fehlt der Nachweis werden 15,33 Euro monatlich anerkannt, sowie zusätzlich für den Arbeitsweg 0,06 Euro je Entfernungskilometer. Der so ermittelte Betrag wird dann als "bereinigtes Nettogehalt" bezeichnet.Auf der Basis des Bruttogehaltes (also vor Abzug der oben genannten Beträge) werden nun Freibeträge festgelegt. Dabei bleiben bei Bruttoeinkommen von bis zu 400 Euro 15 Prozent des bereinigten Nettogehaltes anrechnungsfrei. Wer mehr als 400 und bis zu 900 Euro brutto verdient, darf 15 Prozent der ersten 400 Euro seines bereinigten Nettogehaltes und 30 Prozent des den 400 Euro übersteigenden Betrag behalten. Wer mehr als 900 Euro und bis zu 1500 Euro verdient, darf von den ersten 400 Euro des bereinigten Nettogehaltes 15 Prozent, von den folgenden 500 Euro 30 Prozent von dem über 900 Euro liegenden Betrag wieder 15 Prozent zusätzlich zum Arbeitslosengeld II behalten.Wer einen zumutbaren Job ausschlägt, dem werden für drei Monate 100 Euro vom Arbeitslosengeld II abgezogen. Die Hoffnung, über diese Maßnahmen mehr Menschen in den Arbeitsprozess zurückzuführen, ist jedoch trügerisch. Denn eines übersieht diese Regelung: Es gibt die hier zu vermittelnden Arbeitsplätze nicht. Wenn Unternehmen heute Arbeitskräfte suchen, sind es meist höher qualifizierte. Hinzu kommt, dass die Ablehnung einer Tätigkeit nur schwer nachweisbar sein wird. Im Vorstellungsgespräch lassen sich genügend Hinweise einbauen, die einen Arbeitgeber von der Einstellung abhalten.Aber selbst die Agenturen für Arbeit werden sich hüten, potenzielle Drückeberger zu den Unternehmen zu senden. Die Gefahr, dass diese nach einiger Zeit die Zusammenarbeit mit den Behörden aufgeben und damit die Vermittlungstätigkeit der Agenturen für Arbeit erschwert wird, ist dabei zu groß.Hinzu kommt, dass gerade im Bereich der Niedriglohnjobs viele Arbeitgeber gute Erfahrungen mit ausländischen Arbeitnehmern gemacht haben - speziell Arbeitskräfte aus den Staaten Osteuropas. Warum sollten sie also jetzt auf diese verlässlichen Kräfte verzichten?Umbau der Agenturen für Arbeit Die Agenturen für Arbeit sollen ein neues Gesicht bekommen und flexibler und schneller reagieren können. Denn für die Agenturen ist gerade die schnelle Vermittlung von Arbeitskräften wichtig: Für jeden nicht vermittelten Arbeitslosen muss eine Strafe - oder "Aussteuerungsbetrag", wie es im Juristendeutsch heißt - von 10.000 Euro gezahlt werden, wenn er Arbeitslosengeld II erhält.Um das Ziel der schnellen Vermittlung zu erreichen, sollten die rund 180 Agenturen in Deutschland neu organisiert und strukturiert werden. Doch die Einführung des Arbeitslosengelds II hat diese Pläne ins Hintertreffen geraten lassen. Doch selbst die für Arbeitslosengeld-II-Bezieher geplanten neuen Anlaufstellen sind noch nicht flächendeckend vorhanden.Interessenverbände der verschiedensten Art haben bereits zum Start von Hartz IV gegen die Neuregelung protestiert. Diese Proteste sind auf der einen Seite menschlich verständlich - aber in keiner Weise produktiv. Keiner - auch nicht die politischen Strömungen, die sich den Protesten anschließen - kann finanzierbare Alternativen zum eingeschlagenen Kurs aufzeigen.Hartz IV birgt gesellschaftlichen Sprengstoff. Zu schnell wird hier das Image aufgebaut, dass die Mehrzahl der Arbeitslosengeldbezieher gar nicht arbeiten will. Doch das ist nicht wahr: Wir haben schlichtweg nicht genügend Arbeitsplätze. Hier spielt das Bildungsniveau eine entscheidende Rolle. Während im Bereich der gut und besser Ausgebildeten durchaus noch Mitarbeiterbedarf besteht, sind schlecht oder gar nicht ausgebildete Menschen immer schwieriger zu vermitteln.Was wird Hartz IV bringen? Zu Jahresbeginn schaut man gerne in die Zukunft, doch ein Blick in die Kristallkugel oder das Auswerten der beim Bleigießen entstandenen Figuren bringt uns nicht weiter. Man muss offen bekennen. Ob dieses Programm sein Ziel erreichen wird, bleibt dahingestellt. Letztendlich wird die gesamtwirtschaftliche Entwicklung entscheidend für den Erfolg oder Misserfolg der Hartz -IV Ära sein. Sicherlich wird die Praxis noch die eine oder andere Korrektur mit sich bringen - a b e r abgerechnet wird Ende 2005 !
Quelle: manager-magazin
Dienstag 4. Januar 2005, Eingesandt von arm