Wöchentliche Treffen

Wir treffen uns jeden Dienstag ab 18 Uhr bei KISS in der Bodenstedtstr. 11!

 

 

Die Neujahrsansprache von Bundeskanzlerin Merkel ist ein anschauliches Dokument für die in Ihren Kreisen übliche Realitätsverzerrung.
Aufgemacht im Stil des Wortes zum Sonntag ergeht sie sich in einer Mischung aus grundloser Jammerei, Quacksalberei und Gesundbeterei.
Gleich zu Beginn klärt sie ihr Volk auf, dass man in einem Jahr eine ganze Menge erreichen könne und fordert dazu auf, noch ein wenig mehr als bisher zu vollbringen.

Anschließend äußert sie Verständnis für Skepsis diejenigen ohne Arbeitsplatz , ohne Ausbildungsplatz oder von Arbeitslosigkeit Bedrohten. Ihre bisherige Regierungspraxis entlarvt dies als Heuchelei.

Die Aufforderung, eine Idee zu verwirklichen klingt gut. Dank der asozialen Politik der letzten Jahre, die auch Frau Merkel größtenteils mitgetragen hat, müssen sich Millionen Menschen wohl mit einer Idee begnügen , die nichts kosten darf.

In der Politik, verspricht uns Frau Merkel, will sie viele kleine Schritte gehen. Und das sogar in die richtige Richtung. Das wäre mal was ganz neues !
Ihr Amtsvorgänger ging ja lieber Riesenschritte in die falsche Richtung mit seinen asozialen Hartz-Reformen.
Allerdings wissen wir aus Ihrer Regierungserklärung und anderen Äußerungen, dass sie die Schröders (A)Sozialpolitik grundsätzlich richtig findet.
Also wieder einmal zu früh gefreut.

Und dabei hat sie ein Ziel fest im Blick: unser Land in 10 Jahren wieder an die Spitze Europas zu führen.
Braucht dieses Land schon wieder jemanden, der es an die Spitze Europas "führt" ?
Frau Merkel ist bei der Bejahung dieser Frage leider nicht allein.
Täglich hören wir in den Medien, wie schlecht es diesem Land geht. Ab und zu wird das Gejammer durch Meldungen neuer Exportrekorde des "Exportweltmeisters" Deutschland unterbrochen.

Wie sieht erst aus, wenn Deuschland in Europa an der Spitze steht ?
Noch mehr Export ?
Wie sollen die Importländer die ganzen Waren jemals bezahlen ?

Und wie stellt sich die Bundeskanzlerin Europa mit Deutschland an der Spitze politisch vor?
Haben die anderen Staaten dann noch etwas zu melden ?
Glaubt Frau Merkel wirklich, dass sie ihr Ziel auf friedlichem Wege erreichen kann ?

Im Anschluß an diese Verkündung imperialer Hybris erfahren wir, dass sie die untauglichen politischen und wirtschaftlichen Rezepte ihres Vorgängers fortzusetzen gedenkt. Sie will überall sparen, außer - beruhigt sie - bei Forschung, Entwicklung, Bildung und Ausbildung.
Forschung und Entwicklung nutzen direkt der Industrie.
Bildung und Ausbildung sind schon heute in einem bedauernswerten Zustand:
Lernmittelfreiheit wird immer mehr eingeschränkt oder gar abgeschafft. Kinder armer Eltern haben schlechtere Bildungschancen als Kinder aus "besserem" Haus.
Qualifizierte Ausbildung ist für Hauptschüler und sogar für Realschüler immer schwieriger zu erlangen. Sie werden stattdessen in Qualifizierungsmaßnahmen abgeschoben , um die Arbeitslosenstatistik zu schönen.

Aber wenigstens gibt's 2006 "Brot und Spiele":
Im kommenden Jahr haben wir als Land alle gemeinsam eine große Chance! Die Welt wird auf Deutschland schauen wie zuletzt vor 16 Jahren beim Fall der Mauer.
Da gab's mal ein Großereignis vor 70 Jahren ... Fand auch in Berlin statt. Ebenfalls mit "Führung".

Angeblich stehen die Menschen in diesem Land schon als WM-Sieger fest. Da werden sich die Langzeitarbeitslosen aber freuen: nichts zu futtern, aber WM-Sieger!

Das WM-Motto "Die Welt zu Gast bei Freunden" findet sie wunderbar. Gemeint sind allerdings nur zahlungskräftige Gäste. Für den übergroßen Rest gibt's Lager in Nordafrika. Und für die WM-Besucher läßt sich Bundesinnenminister Schäuble eventuell ein zünftiges Bundeswehrbegleitprogramm einfallen ?

Im Anschluß offenbart sie ihren größten Wunsch "Dass Deutschland weiter in Freundschaft mit seinen Nachbarn und Partnern, in Frieden und Freiheit leben kann". Dieser Wunsch ist mit dem Anspruch, in Europa an der Spitze zu stehen , inkompatibel und nicht mehr als eine Beruhigungpille für die Zuschauer.
Nach diesem Großmachtgehabe dürfte Europa weniger große Erwartungen in Deutschland haben, sondern es eher mit Heinrich Heine halten.
Mag ja sein, dass Europa ohne ein wirtschaftlich und sozial starkes Deutschland nicht vorankommt. Aber wo sieht sie bei Deutschland soziale Stärke ? Meint sie etwa die 345 Krümel, äh Euro ?

Nach einer Beschwörung gemeinsamer Werte , mahnt sie greifbare Ergebnisse beim europäischen Verfassungsprozeß an. Jene marktradikale Verfassung, die bei den Referenden in Frankreich und den Niederlanden durchgefallen ist, soll offenbar durchgesetzt werden.

Außerdem meint sie, wir sollten uns an eine einfache Weisheit erinnern, sie lautet: Arbeit braucht Wachstum und Wachstum braucht Freiheit.
Wirklich, sehr einfach und zudem zweifach falsch:
Wir hatten on den letzten 25 Jahren mehr als 100 % Wachstum. Die Folge war aber
nicht Volbeschäftigung, sondern ein Anstieg der Arbeitslosigkeit um 400 %.

Auch die Verquickung von Wachstum und Freiheit ist falsch, zumindest soweit es sich um die Freiheit der lohnabhängigen Bevolkerung geht. Aber vermutlich meint Frau Merkel hier die unternehmerische Freiheit, nach Belieben heuern und feuern sowie die Arbeitsbedingungen verschlechtern zu können.

Und obendrauf bekommen die Unternehmen eine wettbewerbsfähige Unternehmensbesteuerung spendiert, womit weitere Steuererlässe gemeint sind. Irgendwann werden Unternehmen gar keine Steuern mehr bezahlen. Naja, was Daimler recht ist ...

Die Ankündigung einer echten Reform der Kranken- und Pflegeversicherung im nächsten Jahr dürfen die Pflegebedürftigen schon mal als handfeste Drohung verstehen. Die Operation läuft auf eine Versicherung mit deutlich reduzierten Leistungen heraus.

Die Aufforderung Fangen wir einfach an - ab morgen früh ist merkwürdig.
Wurden Sonntag und Neujahr als gesetzliche Feiertage schon abgeschafft ?

Frau Merkel mag den Millionen Armen in diesem Land tausendmal ein gutes, ein erfülltes und gesegnetes neues Jahr 2006 wünschen. Es bleibt Heuchelei, weil sie sie jedes Jahr etwas ärmer macht und zunehmend entrechtet.