In seinem Urteil vom 5.11.2019  hat das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe die Regelsatzkürzung für Personen die das  25. Lebensjahr vollendet haben,  auf maximal 30 Prozent begrenzt. Die Begrenzung ist  mit der Urteilsverkündung in Kraft getreten.

Die Dauer von Sanktionen für diesen Personenkreis ist nicht mehr starr auf 3 Monate begrenzt:

Wird die Mitwirkungspflicht erfüllt oder erklären sich Leistungsberechtigte nachträglich ernsthaft und nachhaltig bereit, ihren Pflichten nachzukommen, kann die zuständige Behörde unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls ab diesem Zeitpunkt die Leistung wieder in vollem Umfang erbringen. Die Minderung darf ab diesem Zeitpunkt nicht länger als einen Monat andauern.

Die formale Begrenzung der Urteilswirkungen auf Personen die das  25. Lebensjahr vollendet haben,  ist dadurch bedingt, dass das Urteil auf einem Fall des Sozialgerichts Gotha beruht, welches eine Person betraf, die das 25. Lebensjahr schon vollendet hatte.

Eine 100%-ige Kürzung bei Personen unter 25 Jahren dürfte erst recht verfassungswidrig sein. Es bleibt abzuwarten, ob Sozialgerichte die Begrenzung für  Personen unter 25 Jahre analog anwenden. Wenn nicht, wäre das ein weiteres Trauerspiel in diesem Recht(s)staat.

Das Urteil mag auf den ersten Blick als Erfolg erscheinen, weil eine 60%-ige Sanktion oder eine 100%-ige Sanktion jetzt nicht mehr zulässig sind, aber das Sanktionsregime wurde dadurch nur abgemildert:

  • Eine bis zu 30%-ige Reduzierung des sozialen Existenzminimums ist auf jeden Fall ein harter Schlag, speziell wenn das Konto leer ist,
  • Die Kürzung kann sich vierteljährlich wiederholen, sodass bis zu 3,6 Monatssätze pro Jahr wegsanktioniert werden  können
  • die Kürzung muss nicht sofort nach Erfüllung der Mitwirkungspflicht entfallen, insofern ist ein Bestrafungscharakter der Kürzung nicht zu bestreiten

Offenbar ist die staatliche Pflicht zur  Gewährleistung des sozialen Existenzminimums nicht absolut, obwohl sie  sich nach der ständigen Rechtsprechung des Gerichts unmittelbar aus Artikel 1 GG (Menschenwürde) und Artikel 20 GG (Sozialstaat) ergibt.

Logischerweise müsste dieses Minimum zu 100 % gewährleistet werden, um  von der Gewährleistung des Minimums sprechen zu können, aber als höchstes Gericht in Deutschland kann man schon mal 70 % postulieren, damit das Ergebnis 'stimmt'.

Ebenso sieht das Gericht die in Artikel 12 Absatz 1 GG garantierte Freiheit der Berufswahl nicht verletzt, weil:

Im Übrigen ist nach § 10 Abs. 1 Nr. 2 SGB II eine Mitwirkungspflicht ausgeschlossen, wenn sie die Ausübung der bisherigen beruflichen Tätigkeit wesentlich erschweren würde, weil die bisherige Tätigkeit besondere körperliche Anforderungen stellt

Hierbei übersieht das Gericht geflissentlich, dass eine Einschränkung, die hier ja zumindest zeitlich vorliegt,  gemäß Artikel 19 Absatz 2 GG nur zulässig ist, wenn das eingeschränkte Grundrecht im Gesetz explizit benannt wird. Wenn diese Angabe fehlt,  ist die Einschränkung verfassungswidrig !

Ebenso sieht es keinen Verstoß gegen das in Artikel 12 Absatz 2 ausgesprochene Verbot der Zwangsarbeit.  Begründung wörtlich: ist nicht erkennbar ! Das ist alles !

Das Verfassungsgericht setzt damit konsequent seine elende Rechtsprechung zu Hartz IV fort:

  • 2004 hatte es eine Prüfung abgelehnt, weil es erst die Auswirkungen beobachten wollte.
  • Im Urteil vom 9.Februar 2010  bezeichnete es das Statistikmodel, welches "als Referenzgruppe die untersten 20 % der nach ihrem Nettoeinkommen geschichteten Einpersonenhaushalte mit Ausnahme der Einpersonenhaushalte im Sozialhilfebezug" benutzt , als  "ein grundsätzlich taugliches Berechnungsverfahren zur Bemessung des Existenzminimums".
    Dabei ergibt sich aus den tatsächlichen Ausgaben keineswegs, dass damit das soziokulturelle Existenzminimum gesichert werden kann.
    Zum Hohn wurde die Referenzgruppe darauf von der Bundesregierung auf die untersten 15% begrenzt, sodass der Regelsatz nicht erhöht werden musste
  • Ebenfalls im Urteil vom  9. Februar 2010 bezeichnete es die willkürlichen Festsetzung der Regelsätze für Kinder zwar als verfassungswidrig,  beließ diese jedoch bis zu einer Neuregelung in Kraft.  Es hätte die Höhe auch vorübergehend auf 100 % setzen können. Einfach verantwortungslos.
    Zum Hohn ließ die Bundesregierung eine Statistik fabrizieren, die bei einzelnen Kundergruppen einen geringeren Bedarf feststellte, was aber gnädigerweise nicht zu einer Kürzung führte. 

Die Hartz-IV-Parteien können sich freuen, hat das Gericht doch im Urteil einmal mehr ihren Betrug "Fördern und Fordern"  für bare Münze genommen, obwohl die Behördenpraxis das 'ö' schon immer als 'o' behandelt hat. Wenn es nicht so traurig wäre, könnte man darüber lachen.

So bekopmmen die modernen Sklavenverleiher auch in Zukunft billigen Nachschub und Deutschland eilt damit von einem elenden Beschäftigungsrekord zum nächsten.